Von Walter dem Falter und Feldmarschall von Fenner – Ein Besuch im Turmhof der Tenuta Tiefenbrunner

Ciao a tutti!

Es ist ein sonniger Frühsommertag, an dem es schön warm, aber noch nicht zu heiß ist. Perfekt also für einen Familienausflug und ein Gläschen Wein. Für uns geht es ins Südtiroler Unterland zur Tenuta Tiefenbrunner.

Nach der Fahrt im stickig heißen Auto ist der Turmhof der Familie Tiefenbrunner geradezu paradiesisch. Kaum haben wir den Torbogen durchquert, stehen wir im Innenhof, der sich nach hinten öffnet. Es offenbart sich ein gekiester, von einer niedrigen Mauer eingerahmter Bereich. Die ausladenden sattgrünen Bäume laden zum Verweilen ein und spenden angenehmen Schatten. Es ist ruhig und friedlich. Der Wind spielt sanft mit den Blättern und die Unterhaltungen der anderen Gäste wehen wie Musik durch den Hof.

Wir lassen uns an einem ausladendem Tisch in der Mitte des Turmhofes nieder. Kaum sitzt man, entspannt man sich automatisch in dieser friedlichen Atmosphäre. Aber was wäre ein Besuch bei der Tenuta Tiefenbrunner ohne einen guten Wein – und davon gibt es hier so einige. Ein absolutes Muss ist der Feldmarschall von Fenner, ein mineralisch würziger Müller-Thurgau. Mit seiner strohgelben Farbe und einem intensiven Duft nach weißen Blüten und gelben Früchten, ist er der beste Müller-Thurgau, den ich bisher getrunken habe. In der Nase kommen Pfirsich und Aprikose zur Geltung, während im Mund sein feingliedriger Körper den Gaumen umschmeichelt. Dabei bringt er eine elegante Ausgewogenheit, Saftigkeit und ein frisches Säurespiel mit. Mit seinem langanhaltendem Abgang rundet er das Geschmackserlebnis ab.

Da für mich und den Rest der Familie der Feldmarschall das absolute Highlight unter den Tiefenbrunner-Weinen bildet, bestellen wir gleich zu Beginn eine ganze Flasche. Die Tenuta kann aber auch hervorragendes Essen und so müssen auch noch ein Käsebrett und Antipasti mit her. Der erste Schluck Feldmarschall ist einfach himmlisch. In Kombination mit dem Käse kommen für mich all die Aromen des Weines noch besser zur Geltung.

Während wir so dasitzen, uns unterhalten, den Wein und das Leben genießen, surrt die warme Frühsommerluft voll Insekten. Ein schöner großer Schmetterling umkreist uns und lässt sich seelenruhig auf dem Kopf meiner Mutter nieder. Ganz so, als ob er an unserer gemütlichen Unterhaltung teilhaben wolle. Nach einiger Zeit dreht er nochmals eine Runde im Turmhof, zieht seine Kreise durch die Bäume, um sich doch wieder auf meiner Mutter niederzulassen. Dieses mal wählt er die rechte Schulter für seinen Landeplatz. Fasziniert sehen wir ihm zu, als die Kellnerin an unseren Tisch kommt. Als sie sieht, worauf sich alle Blicke richten, lächelt sie und sagt: „Ah, Sie haben bereits Bekanntschaft mit Walter dem Falter gemacht“. Ungläubig, ob sie das ernst meint, frage ich nach. „Walter dem Falter?“ Sie nickt und erzählt, dass der Schmetterling seit einigen Jahren jeden Sommer da ist. Es muss zwar immer ein neuer sein, da die Lebenserwartung von Schmetterlingen je nach Art lediglich wenige Wochen bis Monate beträgt, aber es ist am Turmhof wohl so schön, dass sie jeden Sommer kommen und ihre Kreise über den Gästen ziehen.

Mit dieser schönen Anekdote, und um Walter den Falter nicht zu vertreiben, beschließen wir, noch etwas zu verweilen und bestellen nochmal etwas Wein. Wir gehen zum Linticlarus Cuvée Riserva über, einem kräftigen Rotwein. Auch er hat einen intensiven Duft. Der Cuvée aus Cabernet Sauvignon und Merlot riecht nach Blumen, Brombeeren und schwarzen Johannisbeeren und besticht mit seiner dunklen, granatroten Farbe. Wer wie ich Tannine mag, ist mit dem Linticlarus Cuvée Riserva an der richtigen Adresse. Mit seinen feinen Tanninen und dem kräftig strukturiertem Körper hat er ein nachhaltiges Bouquet im Mund mit langem Abgang. Genau der richtige Wein für mich. Es gibt so gut wie keinen Südtiroler Rotwein, den ich mag, aber dieser bildet eine schöne Ausnahme. Mit seinem kräftig-intensiven Geschmack und den ausgewogenen Tanninen bringt er eine Komplexität mit, die ich normal von den Rotweinen aus Süditalien kenne, nicht aber aus Südtirol.

Während ich genüßlich und in kleinen Schlücken meinen Wein trinke, beschließt Walter der Falter, sich in den Turm an der einen Ecke des Hofes zurückzuziehen. Er schwebt lautlos und majestätisch davon und überlässt uns ganz dem Genuss. Als ich den letzten Schluck Wein getrunken habe und die Kellnerin kommt, sagt mein Schwager laut im Scherz: „Miri, heute zahlst du für uns alle. Ich freu mich schon auf die Einladung“. Etwas perplex sage ich: „Kann ich schon machen, Antonio“. Die Kellnerin sieht mich an und fragt: „Heißen Sie Miriam?“ Als ich nicke und ja sage, lacht sie und sagt: „Gut, ich dachte schon ich bin gemeint, ich heiße nämlich auch Miriam“. Daraufhin müssen wir alle erst mal herzlich lachen.

Wir bezahlen die Rechnung – ich musste zum Glück nicht alle einladen – und machen uns auf den Weg zum Auto. Als ich mich ein letztes mal umdrehe bevor ich den Torbogen durchquere, sehe ich, wie Walter vom Turm herab schwebt und sich seinen Weg durch die Bäume und die Gäste bahnt, auf der Suche nach einem angenehmen Landeplatz.

Ciao ed alla prossima volta!

Miriam

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