Ciao a tutti!
Sommerzeit ist Urlaubszeit. Dann zieht es tausende Deutsche nach Italien, wo guter Wein, leckeres Essen und schöne Strände warten. Es ist die Zeit, in der die Einheimischen Rom verlassen und die ewige Stadt ganz den Touristen gehört. Wenn ich im August in Rom durch die Stadt laufe, die mittlerweile prall gefüllt von Menschen aus allen Ländern der Welt ist, dann fallen mir nicht nur die Touristen sofort auf, sondern mir werden auch die italienischen Eigenheiten bewusst. Nämlich immer dann, wenn ich auf Deutsche treffe, die diese nicht verstehen.
Am auffälligsten ist das für mich immer in der Bar um die Ecke, im Restaurant in meiner Straße oder in meiner Lieblingseisdiele Gutilla, die unter uns gesagt die beste in ganz Rom ist! Warum? Das könnt ihr in meinem Artikel „Brioche con gelato e panna“ lesen.
Ohne Scontrino geht nichts
Als ich kürzlich in meiner besagten Lieblingseisdiele mein Feierabend-Gelato genoss, kam ein Pärchen herein. Offensichtlich Deutsche, die sich entweder verirrt hatten, da sich in dieser Gegend normal keine Touristen aufhalten, oder bewusst den Weg zur besten Eisdiele Roms auf sich genommen hatten.
Dass Touristen immer wieder bei Gutilla vorbeischauen ist an sich nichts Neues. Auffällig ist jedoch, wie deren Anwesenheit den reibungslosen Ablauf durcheinander bringt. Wer in Italien auf einem Streetfoodfestival ist, in einer Bar oder eben in einer authentischen italienischen Eisdiele, der muss sich nämlich erst mal eines: anstellen. Und zwar nicht in der Schlange an der Theke, sondern an der Kasse.
Was für die Einheimischen völlig normal ist, war für das deutsche Paar an jenem Abend jedoch der Endgegner. Sie standen vor der Eistheke, verstanden nicht, warum andere sie komisch ansahen oder was das Personal zu ihnen sagte. Zugegeben, in dieser Gegend spricht man auch so gut wie kein Englisch. Je länger die beiden da standen, desto aufgeladener wurde die Stimmung. Das Personal, das anfangs noch verwundert war, wurde mit der Zeit genervt und das Paar dafür immer unsicherer.
Ich schleckte nochmal von meinem Eis und erklärte den beiden Touristen dann auf Deutsch – diese waren in dem Moment sichtlich erleichtert – , dass sie erst mal einen Scontrino bräuchten, mit dem sie dann ihr Eis bekommen. Einen normalen Kassenbeleg also. Das System war anscheinend total neu für sie, denn es brauchte mehrere Versuche um ihnen zu erklären, dass sie an der Kasse bestellen und zahlen müssen, wo sie dann den Scontrino bekommen. Mit diesem geht es dann zur Theke und wenn die Nummer des Belegs aufgerufen wird, dann gibt es Eis.
Die Frau nickte schon beim zweiten Versuch meiner Erklärung. Als ich in meiner Verzweiflung in einem dritten Anlauf dann sagte: „Es ist wie in der KfZ-Zulassungsstelle. Zettel ziehen, warten, drankommen“, machte es auch bei ihrem Mann klick. So gingen die beiden dann erst zur Kasse und kamen kurze Zeit später grinsend mit ihrem Eis in der Hand zu mir nach draußen vor die Eisdiele. Wir unterhielten uns ein bisschen und ich stellte zu meiner Verwunderung fest, dass die beiden keineswegs das erste Mal in der ewigen Stadt waren. Es handelte sich bereits um den dritten Besuch in Rom. Aber anscheinend waren die beiden das erste Mal abseits der ausgetrampelten Touristenpfade unterwegs. Denn bisher waren sie noch nicht über dieses „System“ gestolpert.
Ich erklärte ihnen, dass dieser Ablauf eigentlich üblich ist und man authentische Läden auch immer daran erkennt. Wer im berühmten „Eustacchio“ – oder Sant Eustachio il Caffè, wie es eigentlich richtig heißt – einen der begehrten Espressi trinken will, der braucht viel Einsatz und mitunter Ellenbogen, um an sein Getränk zu kommen. Aber vor allem braucht es eines: einen Scontrino, den Kassenbeleg.
Coperta ja, Trinkgeld nein
In unserem Gespräch stießen wir schnell noch auf ein weiteres Phänomen. Die beiden hatten vor der Eisdiele noch einen Stop in der Bar um die Ecke eingelegt und dort zwei Espressi getrunken. Als sie beim Bezahlen auf drei Euro aufrundeten, gab ihnen der Barista die 40 Cent Rückgeld trotzdem heraus. Sie wollten ihm das Trinkgeld gerne geben, aber er weigerte sich beharrlich. Nachdem die Sprachbarriere und die Hartnäckigkeit des Barista keine Hilfe waren, ließen die beiden die 40 Cent einfach beim Verlassen der Bar auf dem Tresen liegen.
Ich erinnerte mich, dass es mir in meinem ersten Italienurlaub vor 20 Jahren in einer Bar in Siena so ähnlich erging. Was ich damals nicht wusste: Es gibt verschiedene Listini, also Preislisten, in den Bars. Wer sich hinsetzt und am Tisch bedient wird, zahlt automatisch mehr. In dem Fall ist das Trinkgeld nämlich schon direkt eingerechnet. Beim Restaurantbesuch gibt es das gleiche Phänomen. Nur mit anderem Namen: Coperta oder auf Deutsch „Gedeck“. Pro Person zahlt man einen gewissen Betrag automatisch mit. Je nach Restaurant und Gegend kostet die Coperta normalerweise zwei bis drei Euro. Diese Coperta geht direkt an den Cameriere, der den Tisch bedient. Wer in Italien Essen geht, bezahlt also schon automatisch Trinkgeld. Viele Kellner in Touristenregionen freuen sich zwar über das zusätzliche Geld, üblich ist das jedoch nicht.
Wer sich also unters heimische Volk mischen will ohne aufzufallen, sollte immer erst zur Cassa und anschließend mit dem Scontrino in der Hand zur Theke gehen und im Restaurant kein zusätzliches Trinkgeld geben.
Zurück zur Normalität
Mit diesem Insiderwissen ausgestattet machten sich die beiden Touristen, nachdem wir uns verabschiedet hatten, wieder auf den Weg in die Innenstadt. Als ich in die Eisdiele zurückging, um meine Serviette wegzuwerfen, fragte Ernesto mich von hinter der Theke: „Chi erano questi turisti?”, also: „Wer waren diese Touristen?” Seine Kollegin verließ ihren Posten hinter der Cassa und gesellte sich zu uns. Sie war sichtlich genervt als sie sagte“ Ma che stupidi!“ – welche Trottel! Für die beiden war es unvorstellbar, dass jemand dieses in ganz Italien übliche und gut funktionierende System von Bestellung, Bezahlung und Bedienung nicht verstehen kann.
Ich grinste und sagte: „Erano due tedeschi che hanno visitato una gelateria autentica italiana per la prima volta“. Dass die beiden Deutschen das erste Mal eine authentische italienische Eisdiele besuchten ist Ernesto und seiner Kollegin natürlich nicht entgangen. Ich erklärte ihnen, dass das in Deutschland anders abläuft und die beiden Touristen überfordert waren. Sie lachten und sagten: „Che confusione c’era!” – „Was für ein Durcheinander!“ – und gingen wieder an ihre Plätze zurück.
Ich verabschiedete mich von Ernesto und seiner Kollegin und trat den Heimweg entlang der Via Nomentana an, vorbei an der Villa Torlonia. Und dachte noch etwas über die kulturellen Unterschiede in der Kulinarik nach.
Ciao ed alla prosimma volta,
Miriam